Nützlinge und Schädlinge

Über den Wert der Blattlaus

 

Sie wundern sich über den Titel? Das ist nicht verwunderlich. Schließlich sind Sie wahrscheinlich über jede Blattlaus so wenig erfreut wie über die Aussicht auf eine Wurzelbehandlung beim Zahnarzt. Blattläuse können in Massen über ganze Pflanzenbestände herfallen und sie zerstören. Auch der Buchsbaumzünsler ist gefürchtet, genauso wie Wühlmäuse, Raupen und Schnecken. Im Reich der Pflanzen ärgern den Gärtner verschiedene Unkräuter in Nutz- und Ziergarten, die sich kaum zurückdrängen lassen. Das kostet Kraft, Nerven, Zeit des Gartenbesitzers und ist nie von dauerhaftem Erfolg gekrönt. Warum sprechen wir hier also vom „Wert der Blattlaus“?

Natürlich wird jedem Gartenbesitzer auch schon der Gedanke gekommen sein, dass nicht nur er allein Anspruch auf die Nutzung des Grundstücks erhebt, sondern auch eine Fülle von Tieren, Pflanzen, Pilzen und Bakterien. Warum nur können denn nicht ausschließlich die Lebewesen meinen Garten bevölkern, die ich dort auch haben will? Warum müssen ausgerechnet Unkräuter, wie der Löwenzahn oder Giersch, so unglaublich invasiv und hartnäckig sein, aber mein Rhododendron sieht immer schäbig aus?

Die Antwort ist denkbar einfach, aber unbequem zu akzeptieren: Weil wir Menschen leider keine Ahnung von den Verflechtungen in den Lebensräumen haben. Die Änderung an einer Stelle, z. B. durch das Anpflanzen einer neuen Pflanze, setzt eine ganze Kettenreaktion in der Lebensgemeinschaft aus Tieren, Pflanzen usw. in Gang. Kaleidoskopartig ändern sich dadurch alle möglichen Bedingungen, was kein Gärtner oder Biologe in seinen Folgen voraussehen konnte.

Denkweisen der Permakultur

Beim Ansatz der Permakultur ist die Denkrichtung im Vergleich zu allen anderen Gartengestaltungs-Grundsätzen genau andersherum: Statt zu fragen, was der Gärtner gegen wucherndes Unkraut tun kann oder sollte, stellt sich der Permakultur-Gärtner die Frage, warum an einer Stelle dieses Unkraut so übermächtig wuchert, warum er immer wieder Schädlinge an einer Pflanze hat. Der Unterschied ist ein dramatischer. Die erste Denkweise legt den Einsatz von Pestiziden, Gewaltaktionen oder anderem nah. Beim zweiten Gedankengang werden die Ursachen erforscht, um Bedingungen ändern zu können und dem Unkraut oder ständigen Befall mit Ungeziefer keinen Vorschub mehr zu leisten.

Freunde der Permakultur akzeptieren zunächst jedes Lebewesen in ihrem Umfeld, ändern dann versuchsweise Standortfaktoren durch bewusste Anpflanzungen, Ausbringen von Pflanzenjauchen oder Stroh, Einsatz von Hilfen für Nützlinge. Die Blattlaus wird hier nicht nur als Schädling betrachtet, sondern auch als Potenzial: Natürlich freut sich auch ein Permakultur-Gärtner nicht über sie, aber wir müssen langfristig zu der Einsicht gelangen, dass wir nicht das alleinige Recht auf Lebensraum haben und das auch in der letzten Konsequenz gar nicht wollen! Warum nicht?

Gärtnern für die Vielfalt hat Vorteile für jeden

Die Blattlaus ist eine wichtige Lebensgrundlage im Nahrungsnetz. Ohne Blattläuse werden auch kleine Insekten wie die Marienkäfer keine Nahrungsgrundlage haben. Ihre Zahl geht in den letzen Jahrzehnten bedenklich stark zurück. Marienkäfer wiederum sind eine wichtige Eiweißquelle für Singvögel, die vor allem in der Brutzeit auf Insektenlarven und Würmer als Nahrung für die Nestlinge angewiesen sind. Ihnen fehlen massiv Nistgelegenheiten, weil Totholz und andere „unaufgeräumte Ecken“ vom Gärtner sofort entsorgt werden. Der richtige Zeitpunkt für den Heckenschnitt macht auch etwas aus, weil Vögel in den Hecken brüten. Ein Heckenschnitt zur falschen Zeit gefährdet eine ganze Brut. Ein Rotkehlchen hat aber oft nur eine Saison, um sich fortzupflanzen, bevor es stirbt.

Fledermäuse finden immer weniger Platz, weil die Dachböden ausgebaut oder versiegelt werden und für die Tiere als Wochenstube und Wohnraum ausfallen. Aber eine einzige Fledermaus frisst pro Nacht etwa 4000 Insekten. Wem das bewusst ist, der freut sich über jede Fledermaus, die die Stechmücken und Schnaken bekämpft.
Auch der Einsatz von Rasenmäh-Robotern ist ein wichtiger Punkt. Igel werden oft durch die Roboter verletzt oder sogar getötet. Sie fressen nachts eine ganze Menge Schnecken und Würmer weg, die sich dann nicht mehr am Salat vergehen können.

Ein Gärtner, der in alle diese Systeme eingreift ohne die Lebenszyklen der anderen Lebewesen in Betracht zu ziehen, minimiert langfristig die Artenvielfalt und vertreibt auch die Nützlinge. Die Schäden durch Schädlinge werden dadurch noch größer, weil die natürlichen Helfer des Gärtners fehlen.

Ein vielfältiges und funktionierendes Nahrungsnetz unterstützen

Nehmen sie es mit dem Aufräumen nicht so genau: Lassen Sie eine „wilde Ecke“ zu. Hier können Sie sich das Rasenmähen sparen. Hängen Sie Nistkästen, Fledermauskästen, Insektenhotels auf oder schichten sie einen Steinhaufen auf. All dies unterstützt die Biodiversität in Ihrem Garten und kostet Sie kaum Aufwand. Pflanzen Sie bevorzugt heimische Arten, die von Bienen und anderen Insekten angeflogen werden können. Dann wird Ihr Garten attraktiv – nicht nur für Blattläuse.